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C: Polizei Nordrhein-Westfalen
BU: Der Polizeiliche Staatsschutz wahrt unsere Demokratie. Aber wie?

Staatsschutz

Im Einsatz für die Demokratie

Beim Polizeilichen Staatsschutz hat Polizist Simon Wloka in unterschiedlichsten Kriminalfällen ermittelt. Was reizt ihn an diesem Job? Ein Interview

In Deutschland arbeiten viele Menschen daran, unsere Demokratie zu schützen – und manchmal passiert das im Verborgenen. Zwei Institutionen spielen dabei eine Schlüsselrolle: der Verfassungsschutz und der Polizeiliche Staatsschutz. Der Verfassungsschutz beobachtet extremistische Bestrebungen und dient als „Frühwarnsystem“. Der Polizeiliche Staatsschutz greift hingegen dann ein, wenn aus Worten Taten werden, etwa bei Volksverhetzung, Bedrohung oder politisch motivierter Gewalt. Wie der Staatsschutz in der Praxis aussieht und warum seine Arbeit für unsere Gesellschaft wichtig ist, erklärt Simon Wloka. Er hat drei Jahre lang beim Staatsschutz der Polizei Nordrhein-Westfalen gearbeitet und ist heute dafür verantwortlich, Nachwuchs für verschiedene spezialisierte Bereiche der Polizei zu finden.

Simon, was genau macht ein:e Polizist:in beim Polizeilichen Staatsschutz?

Simon Wloka: Wir bearbeiten beim Polizeilichen Staatsschutz alle Straftaten der sogenannten Politisch motivierten Kriminalität. Dazu gehören Delikte, die per se politisch motiviert sind wie Volksverhetzung oder das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole. Das öffentliche Zeigen des verbotenen Hitlergrußes beispielsweise fällt in unseren Zuständigkeitsbereich. Aber auch andere Straftaten wie Beleidigungen können politisch motiviert sein, etwa wenn eine Person gezielt z.B. aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Einstellung angegriffen wird.

Darüber hinaus nehmen wir Hinweise entgegen und sammeln Informationen, um potenziell gefährliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und terroristische Anschläge zu verhindern. Sowohl die Früherkennung von Politisch motivierter Kriminalität als auch die Terrorismusbekämpfung sind Aufgabenschwerpunkte der Staatsschutzdienststellen der Polizei. Und genauso wie bei anderen Polizeidienststellen ist der Polizeiliche Staatsschutz in Deutschland in erster Linie Ländersache. In besonders schwerwiegenden oder internationalen Kriminalitätsbereichen kann mitunter sogar das Bundeskriminalamt im Einzelfall die Ermittlungen übernehmen.

Wie einfach oder schwer ist es überhaupt, eine politisch motivierte Straftat als solche zu erkennen?

Die einfache Antwort: Es gibt ein Definitionssystem für Politisch motivierte Kriminalität. Aber allein die Tatsache, dass dieses Dokument mehrere Seiten umfasst, zeigt, wie komplex die Abgrenzung und die kriminalfachliche Bewertung einer Tat sind. Oft muss im Detail analysiert werden, was die Motivation hinter einer Tat war. Handelt es sich um einen versuchten Einbruch mit bloßer Bereicherungsabsicht? Oder zielte die Tat, zum Beispiel ein Angriff auf ein Parteibüro, darauf ab, eine politische Botschaft zu senden? Ist eine Beleidigung im Affekt und im Verlauf eines persönlichen Streites gefallen, oder wurde sie gezielt gegen eine Person, etwa aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechtes, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religion ausgesprochen? Diese Unterscheidung ist nicht immer einfach, aber essenziell.

Mit welchen Fällen hat der Polizeiliche Staatsschutz beispielsweise zu tun?

Ein großer Teil unserer Arbeit dreht sich mittlerweile um Hatespeech im Internet: Beleidigungen, Bedrohungen, Volksverhetzung – oft gegen Politikerinnen und Politiker oder andere Personen des öffentlichen Lebens. Auch das Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole und Inhalte, etwa in sozialen Netzwerken oder Messengerdiensten, spielt eine Rolle. Unsere Arbeit umfasst dann das Sichten offener Internetquellen, Durchsuchungen von Wohnungen oder das Sicherstellen und Auswerten von Datenträgern. Besonders spannend ist der enge Austausch mit dem Landeskriminalamt und anderen Sicherheitsbehörden wie dem Verfassungsschutz, dem Bundeskriminalamt oder dem Bundesnachrichtendienst. Der Staatsschutz arbeitet also mit einem Netzwerk zusammen, um gemeinsam Gefahren rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern.

„Wir sorgen dafür, dass sich die Menschen sicher fühlen können, und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Schutz und zur Stärkung der Demokratie.“

Hatespeech im Internet nimmt immer weiter zu. Welche Auswirkungen hat das?

Viele Menschen verstehen die Meinungsfreiheit falsch. Sie glauben, sie dürften alles sagen, ohne strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten. Aber die Meinungsfreiheit hat genau dort ihre Grenzen, wo sie in eine strafbare Beleidigung, Bedrohung oder Volksverhetzung übergeht. Die Polizei hat einen sogenannten Strafverfolgungszwang: Wenn eine Straftat vorliegt, müssen wir handeln. Und in Sachen Hatespeech hat sich da erst kürzlich einiges getan. Der Gesetzgeber hat beispielsweise mit dem Tatbestand „Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“ ein weiteres Instrument geschaffen, um etwa Lokalpolitikerinnen und -politiker besser zu schützen. Denn wenn sich niemand mehr in der Politik engagieren will, weil Hass und Bedrohungen überhandnehmen, dann hat die Demokratie ein echtes Problem.

Wie trägt der Polizeiliche Staatsschutz zum Schutz der Demokratie bei?

Unmittelbar sehr viel. Aufgabe des Polizeilichen Staatsschutzes ist es, Früherkennung von Politisch motivierter Kriminalität zu betreiben, politisch motivierte Straftaten zu verfolgen und im Rahmen der Terrorismusbekämpfung Anschläge zu verhindern und –wenn sie stattfanden – schnell und beweissicher aufzuklären. Denn ein terroristischer Anschlag – oder auch nur das Gefühl mangelnder Sicherheit, zum Beispiel durch Anschlagsdrohungen und vereitelte Anschläge – kann zu einer enormen Verunsicherung der Menschen führen und somit zu einer großen Belastung für die Bevölkerung werden. Das kann wiederum extremistische Haltungen und Strömungen innerhalb der Gesellschaft stärken. Unsere Arbeit sorgt also dafür, dass sich die Menschen sicher fühlen können. Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zum Schutz und zur Stärkung der Demokratie.

Der Job klingt herausfordernd. Was macht den Job besonders?

Kein Tag ist wie der andere. Die Arbeit beim Polizeilichen Staatsschutz ist immer auch sehr stark vom aktuellen Weltgeschehen beeinflusst. Krisen, internationale Konflikte und Kriege, Anschläge oder gesellschaftliche Entwicklungen – all das bestimmt unsere Arbeit. Ich sage immer: Man sieht schon abends in der Tagesschau, was am nächsten Tag auf dem Schreibtisch liegen könnte.

Wir müssen flexibel sein, oft spontan und entschlossen reagieren und mit anderen Behörden eng zusammenarbeiten – und das oftmals auch außerhalb der regulären Arbeitszeit. Das macht die Arbeit herausfordernd, aber auch extrem spannend und vielseitig. Hinzu kommt, dass man gerade in diesem Bereich der Kriminalpolizei persönliche Interessen einbringen kann. Wer sich für politische Themen oder extremistische Strömungen interessiert, kann sein Wissen gezielt vertiefen und damit einen echten Beitrag zur Sicherheit der Gesellschaft leisten.

  Wie werde ich Polizistin oder Polizist in NRW?   Ein Einstieg in den Polizeilichen Staatsschutz ist über ein duales Studium bei der Polizei NRW, dem „Team 110“, möglich. Seit Neuestem gibt es auch den Studienschwerpunkt „Ermittlungen“. Welcher Studiengang zu dir und deinem Jobwunsch passt, erfährst du hier  – auf der Website der Polizei NRW.  

Was sollte man mitbringen, um im Staatsschutz zu arbeiten?

Neugier und eine demokratische Grundhaltung sind essenziell. Wer im Staatsschutz arbeitet, sollte Interesse am politischen und weltweiten Geschehen haben. Interkulturelle und interreligiöse Kenntnisse sind von Vorteil, ebenso psychische Belastbarkeit. Letztlich braucht es eine gewisse demokratische Resilienz und Standfestigkeit, um gegen Terrorismus, Extremismus und Hetze vorzugehen. Und in meinen Augen ganz wichtig: Teamfähigkeit. Zunehmend aber auch digitale Kompetenzen, da wir uns intensiv mit Onlinephänomenen auseinandersetzen und der virtuelle Raum in unserer Arbeit eine große Rolle spielt.

Gibt es einen Moment oder einen Fall, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ja, da gibt es einige. Besonders eindrücklich sind Situationen, in denen plötzlich Gefahr droht – zum Beispiel, wenn jemand in den sozialen Medien eine politisch motivierte Straftat mit Waffengewalt ankündigt, die Gefahrenlage aber noch unklar ist. Dann muss blitzschnell gehandelt werden: Einsatzkräfte müssen mobilisiert, Sofortmaßnahmen koordiniert und eingeleitet werden. In solchen Momenten wird einem bewusst, wie wichtig Teamarbeit ist, und die habe ich in genau diesen Fällen immer wieder erlebt. Alle ziehen an einem Strang, und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Diese intrinsische Motivation der Kolleginnen und Kollegen ist es, die diesen Job so besonders macht.

  Zur Person:  

Simon Wloka startete bei der Polizei mit einem dualen Studium. Zehn Jahre war er im Einsatzbereich der größten Polizeibehörde Nordrhein-Westfalens in Köln tätig. Nach dem Wechsel in den höheren Dienst leitete er die Dienststelle des Polizeilichen Staatsschutzes im Polizeipräsidium Hagen. Heute ist er beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP NRW) für die Weiterentwicklung von Auswahlverfahren und Eignungsfeststellungen für Nachwuchskräfte zuständig.  

Produziert vom Studio ZX
Autorin Anna-Lena Limpert